AUF TUCHFÜHLUNG MIT KATHARINA HOVMAN

„Audienz täglich von 8:00 bis 9:15 Uhr“, schreibt mir die „Herrin“ des Hamburger Modelabels Katharina Hovman auf die Anfrage, wann wir uns zum Interview treffen können, „… außer natürlich, ich befinde mich auf Reisen!“ Hinter der Nachricht lächelt ein Doppelpunkt-Klammer-Smiley.

Wir verabreden uns für tags darauf bei Nico, dem Steh-Italiener im Eppendorfer Weg.

Wer verbirgt sich hinter dem erfolgreichen Label, das vor kurzem seinen neuen – und einzigen – Flagship-Store in der Eppendorfer Landstraße in Hamburg bezogen hat?

 

Als ich eintrete, strahlt ein Gesicht aus dem morgenmüden Publikum. Ich erkenne sie sofort. Ihr Blick ist erwartungsvoll, die Lippen rot, in Isabella-Rossellini-Manier, ansonsten kaum geschminkt. Überhaupt erinnert sie mich ein wenig an die Schauspielerin. Der knabenhafte Kurzhaarschnitt, die wachen Augen, das hübsche Gesicht, die ganze Erscheinung: schlicht-elegant, charismatisch, nahbar-glamourös. Zur dunklen Hose trägt sie eine helle Bluse. Überlange Manschetten ragen aus dem schwarzen Mantel.

„Ja“, die Modemacherin nickt, „es ist eine Taffeta-Bluse.“ Entwickelt aus dem berühmten Katharina-Hovman-Klassiker, der ‚Bluse 33‘. Ein Kleidungsstück, das unkompliziert mitreisen, im Waschbecken von Hand gewaschen, in ein bis zwei Stunden getrocknet und dann wieder angezogen werden kann.

Microtaft heißt das Blusenmaterial, bei jeder ihrer Bewegungen flüstert es leise, als wolle es nicht alle Geheimnisse auf einmal preisgeben.

Potrait Katharina Hovman
Katharina Hovman

Die Designerin ist erfreulicherweise gesprächiger. Diese edel-knittrigen Kleidungsstücke, verrät sie, sind eine Art Dauerbrenner ihres Labels. „Longseller“, sagt die Branche, eine Art Gewähr, dass sie auch in der nächsten Saison gut laufen. Wer im Business überleben will, braucht so etwas.

Die Marke Katharina Hovmann besteht natürlich aus weitaus mehr als diesen formidablen Blusen. Zweimal im Jahr entwickelt die Modemacherin eine komplett neue Kollektion, und auch die Taffetas erscheinen in immer wieder anderen, fantastischen Farben und verändertem Design.

„Designed for life and travel“, paraphiert Katharina Hovman die Idee der Taffetas, zu der sie die eigene Vergangenheit inspiriert hat.

„Meine Eltern waren 16 Jahre verheiratet“, erzählt sie, „in dieser Zeit sind wir 14 Mal umgezogen. Nicht von Eimsbüttel nach Winterhude oder so. Nein, richtig! Wir haben immer alles aufgegeben. Jedes Mal gab es eine neue Schule, einen neuen Haushalt, ein neues Leben. Ich habe eine einzige Klassenreise mitgemacht. Wenn die stattfanden, waren wir nämlich immer schon längst wieder weitergereist.“

 

Damals im Kindergarten erzählte Katharina, ihr Vater sei Erfinder. Als der Maschinenbauingenieur eine selbst entwickelte Klärmaschine in die USA verkauft, reist die vierköpfige Familie kurzerhand in die Vereinigten Staaten. Außer an das Gefühl immer unterwegs zu sein, erinnert sich die temperamentvolle Designerin allerdings nur vage an diese erste große Reise.

Prägender wurde ein Brasilienaufenthalt, zu dessen Ende die Eltern einen VW-Bus kaufen und ausbauen, um mit den beiden Teenager-Töchtern, die sie für ein halbes Jahr aus der Schule nehmen, die Panamericana von Brasilien bis hinauf nach Kanada zu fahren. Katharina ist damals 14. Noch heute sind ihr viele Details der Reise sehr präsent.

 

„Wir kamen damals aus der deutschen Provinz. Plötzlich standen wir in São Paulo. Es war fremd, laut, heiß und gefährlich in der damals schon 9-Millionen-Metropole“, entsinnt sich die Designerin. „Wir gingen auf die deutsche Schule, hatten aber nur eine Stunde Deutsch am Tag. Alles andere fand auf Brasilianisch statt. Irgendwie kamen wir zurecht. Mein Vater reiste gleich nach unserer Ankunft in den Busch, und meine Mutter musste improvisieren. Wir lebten zuerst in einem Hotel, bevor wir in ein Hochhaus zogen. Hochmodern, mit Müllschlucker im Treppenhaus und Swimmingpool im Erdgeschoss! Das war alles sehr aufregend. Aber am eindrücklichsten“, schwärmt sie, „war die anschließende Reise im VW-Bus. Jeder Tag war einzigartig.“

Das Reisen, sinniert die Modeschöpferin, habe sicher auch zu ihrer Fähigkeit beigetragen, sich schnell an wechselnde Bedingungen anpassen zu können.

 

25 JAHRE EIN LABEL ZU FÜHREN, HEIßT 25 JAHRE STETE ENTWICKLUNG

Es duftet nach frischem Toast. Die Designerin bestellt noch einen Latte macchiato. Ihr Satz mit der Audienz gestern, realisiere ich jetzt, war nur halbironisch. Wer Katharina Hovman treffen will, privat oder beruflich, kommt morgens hierher. Ihr Tisch füllt sich zusehends. Zwischen Freundinnen und einem Nachbarn taucht jetzt Stefanie Lütje, Katharinas Schnittmeisterin, zu einem Espresso auf und überreicht die neuesten Schnitte. Im Atelier wartet man bereits darauf.

Seit über zwanzig Jahren folgt die Modemacherin dieser Routine. Erst zu Nico, dann ins knapp drei Kilometer entfernte Atelier. Heute fahre ich mit.

Halb zehn. Wir halten im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld vor einem halbrunden Rotklinkerbau. Ein ungewöhnlich charmantes Industriegebäude in einem recht unprätentiösen Viertel. Gegenüber ragen die Laubendächer des Kleingartenvereins „Sorgenfrei“ über die ordentlich gestutzte Hecke. Aus dem Erdgeschoss zieht frisch gebrühter Kaffeedunst durch die geöffneten Fenster eines EDV-Betriebs.

 

Eine steile Treppe führt hinauf ins kreative Reich. Oben stehen wir in einem sonnendurchfluteten Atelier. Ein Telefon klingelt. Freundliche Begrüßungen von geschäftig vorbeirauschenden Damen allen Alters. Man hat die Designerin bereits erwartet. Ein Meer an Roll-Kleiderständern, daran Kleider, Röcke, Blazer, Blusen, erstreckt sich über einen Teil des Raums. Von ganz weit hinten das Surren von Nähmaschinen. Vor uns Tische von immenser Größe, darauf Stoffbahnen, die sich räkeln, Ballen, die sich stapeln, und an einer Stange, Seite an Seite hängend, die aktuellen Schnittmuster.

 

„Ich arbeite total oldschool“,

beschreibt Katharina ihr Tun in das Zischen eines Bügeleisens mit ausladender Geste über das kleine Imperium. Sie meint die Schneiderin, die in ihrem Atelier noch ausbildet, die Prototypen, die alle hier von ihr noch selbst entwickelt werden. Die gesamte Musterkollektion, die für die Messen und Schauen noch in diesen Räumen genäht wird. Und auch, dass es diese Arbeitsweise kaum mehr gibt, weil sie, genau betrachtet, viel zu teuer ist.

 

„Natürlich lehnt man sich an den Zeitgeist an“, sagt Katharina lachend auf die Frage, inwiefern Trends ihre Arbeit beeinflussen, „man lebt ja nicht im luftleeren Raum. Wenn man ein bisschen Geld verdienen will, kann man sich nicht nur selbst verwirklichen.“

Aber die Modemacherin ist sich selbst stets treu geblieben, auch mit dem Risiko, dem Zeitgeist nicht immer zu entsprechen.

 

EIN KATHARINA-HOVMAN-KLEIDUNGSSTÜCK IST UNVERKENNBAR

 

„Understatement in Lifestyle und Fashion“ war der Titel der Diplomarbeit vor 25 Jahren an der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung und beschreibt treffend Katharina Hovmans Handschrift, die sich als roter Faden bis heute durch ihre Kollektion zieht.

„Mir hat die Dekonstruktion schon immer gut gefallen“, sagt die Designerin, „nicht dieses Klassische, wie ein Schnitt aufgebaut sein sollte. Ich bin keine Technikerin“. In den 80ern ist sie mit den Japanern groß geworden, Yamamoto, Comme des Garçons. In deren Mode fand sie sich wieder. Und entwickelte daraus etwas ganz Eigenes.

Während des Design-Studiums beschäftigt sich die junge Frau nach einer Tanzausbildung, die sie abgebrochen hat, ausgiebig mit Aktzeichnen und dem eigenen Körper. Ihre Entwürfe sind geprägt von großem Körperverständnis, auch vor kräftigen Frauen hat sie keine Berührungsangst. Den Anfangsimpuls zu einem Modell allerdings gibt der Designerin das Material, der Stoff, seine Textur, das Fließverhalten, daraus wird ein Bild. Ein Bild und ein Gefühl, das aus dem Zusammenspiel von Material und Bewegung entsteht.

„Später ist es dann natürlich auch nur ein Kleid“, sagt sie bescheiden.

 

„MEIN ANSPRUCH IST, ETWAS ZU KREIEREN, IN DEM DIE TRÄGERIN SICH IMMER WOHLFÜHLT, ETWAS, DAS IMMER SITZT, DAS IHRE SCHÖNHEIT UNTERSTREICHT.“

 

Die Umsetzung ihres Anspruchs hat zweifellos zum Erfolg geführt. Mittlerweile wird die Kollektion in Deutschland, der Schweiz, Paris, New York und Mailand präsentiert und in über 15 Ländern verkauft. Katharina Hovmans Kundinnen sind Frauen wie die Designerin selbst. Erwachsen, kosmopolitisch, selbstbewusst und eigenständig. Frauen, die mitten im Leben stehen, Schönes lieben, ohne Chichi.

 

Erfolg, sagt die Mutter von zwei Söhnen, bedeute in ihrer Branche allerdings nicht, was man gemeinhin damit verbindet. Reichtümer, das Schloss in der Provence, der Porsche vor der Tür … weit gefehlt! Die Gewinnmargen sind klein, das Risiko, Verluste zu machen, ist groß, gefährliche Einbrüche sind meist unvorhersehbar. Und Mode gehört in Deutschland nicht zum Kulturgut, beklagt die Mittfünfzigerin. 

„Wir haben, was Mode angeht, in Deutschland leider keine Tradition wie in Spanien, Frankreich oder Italien. Dort ist man stolz auf seine Designer. Die werden gefördert, in die wird investiert. Die deutschen Designer werden in ihrem eigenen Land leider nicht wertgeschätzt.“

Ob sie sich als Hamburgerin fühlt, frage ich. „Ich bin hier geboren und seit unserer Rückkehr aus Südamerika, seit ich siebzehn bin, hier geblieben“, gibt sie zur Antwort und fügt fast vorwurfsvoll hinzu: „Ich bin Hamburgerin!“

Doch so etwas wie Heimatverbundenheit empfindet Katharina eher für die Schwäbische Alb: „Die Wälder, die Berge, die Landschaft dort haben mich stark beeinflusst“, erinnert sie sich mit leuchtendem Blick an den dreijährigen Aufenthalt als Kind.

 

Für die Modemacherin war von Anfang an klar, dass sie nie in einem Büro sitzen, dass sie etwas Kreatives machen würde. Bereits die Großmutter väterlicherseits arbeitete im eigenen Atelier. Sie nähte Melkschürzen, die sie später auf Messen verkaufte. Außer Kreativität, einem gewissen Maß an Anpassungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und Geduld sei für den Aufbau eines eigenen Labels aber etwas viel Wichtigeres nötig. „Man kann nicht aus einem Elfenbeinturm heraus eine Firma führen. Wenn Du ‚nur‘ begabt bist, lass es“, rät Katharina bei Studienberatungen, „Du musst extrem tough sein!“

 

Kraft für die Arbeit schöpft die Designerin aus der Familie. Auf gewisse Weise ist sie ihr auch im Atelier nah. Als Skulptur en miniature stehen sie auf dem Schreibtisch: Max, der Ehemann, und Lennard und Viktor, die inzwischen erwachsenen Söhne.

„Ich habe ein Leben neben der Mode. Ohne Familie“, weiß die Designerin, „wäre ich heute woanders. Beides zu haben, ist ein riesengroßer Luxus.“ Mit vielsagendem Lächeln hält sie mir grün schimmernde Hände entgegen. „Und ich tanke bei der Gartenarbeit.“ Auf dem Grundstück ihres Wochenendhauses an der Ostsee versetzt die passionierte Gärtnerin Berge, gräbt im Matsch und hängt ihren Gedanken und Ideen nach.

Diese Mischung aus Erdverbundenheit und Eleganz, aus Bodenständigkeit und Mondänität spiegelt sich voller Selbstverständnis in der Marke Katharina Hovman wider. Als ich im Flagship-Store Kundinnen in den unterschiedlichsten Kollektionsteilen aus der Umkleidekabine in den Laden treten sehe, begreife ich, was den Zauber dieser Kleidungsstücke ausmacht. Angezogen werden sie zu einem authentischen Teil ihrer Trägerin.

 

 

 

4 Gedanken zu „AUF TUCHFÜHLUNG MIT KATHARINA HOVMAN&8220;

  1. Geehrte Frau Hovmann,

    Wie wunderbar ihre Farben, Stoffe, Schnitte und Geräusche welche sie erzeugen und ich ausnehmend schätze!
    Ob auch in Canada ? Hm…
    Jedenfalls, seien Sie ganz herzlich gegrüsst aus Quebec!
    Und Danke dass es Sie gibt! ; ))

    Katharina

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