Die Sonne liegt schon mittig auf meinem Schreibtisch, als ich gegen zehn das Fenster öffne. Ich mache langsam. Was ich wirklich habe ist Zeit. Das muss ich mir immer wieder vergegenwärtigen. Die Zeit. Auch wenn ich einen Rhythmus brauche, Freiheit – und Rekreation – liegen spürbar darin, vom Rhythmus abzuweichen. Er ist die Linie, der Tragbalken, drum herum Leben.
Ich sitze auf dem Dach. Meinem Lieblingsplatz, an der kleinen weißen Mauer. Die Beine ausgestreckt auf den blau-weiß gekachelten Tisch, Gesicht der Sonne entgegen. 24° C.
Parallelwelt Dächer. Frisch gewaschene Wäsche im Wind. Kaum ein Haus ohne Terrasse, eingefasst von weißen Mauern mit Zinnen, Säulchen, Ornamentsteinen, von Holzgeländern, Palisaden. Hier eine Treppe in blau, die hoch hinauf führt, dort ein vor Wind schützender Glasaufbau, Satellitenschüsseln, Türchen, Kamine, Lüftungsschächte. Direkt gegenüber, höher als ich selbst, ein in Weiß gekleideter Mann beim Bodenstreichen einer strahlend hellen Terrasse. Auf dem nächsten Dach, darunter, ein sandfarbener Hund. Verbellt den Dunkelhäutigen auf dem Nachbardach, der dabei ist, eine Antenne aufzurichten. Eine Frau mit hellem Kopftuch ruht sich zwischen Wäscheleinen aus. Grau gefleckte Möwen balancieren auf Geländer in Türkis. Ein Windstoß stört ihr Gleichgewicht, sie wanken leicht und breiten ihre Flügel aus.
Die Welt hier oben, menschenruhig. Wellenrauschen, Möwenquäken, Gezwitscher kleiner Vögel, der Schrei des Gockelhahns aus der Nachbarschaft, der nicht den Schnabel halten kann, ein Hundebellen.
Und jetzt ruft der Muezzin.