Der rettende Engel
trägt einen knallroten Overall. Er ist ölverschmiert und seine hellen Augen lächeln gütig, als ich ihm mein Problem schildere. Er beantwortet mir die wahrscheinlich dümmsten Fragen zum Thema Automobil mit der für Engel typischen Geduld und sagt, ein Blick unter den Wagen sei trotz aller zu befolgenden Ratschläge unerlässlich. Ich besuche ihn bevor ich den nächsten Termin mache, zeige meine Internet-Fundstücke. Einer bleibt. All die anderen Angebote kommen nach Carl Ellebrandts (des Engels irdischer Name) Einschätzung nicht in Frage. Zu viel Elektronik, Diesel (nein!!!), sieht nicht vertrauenserweckend aus, viel zu jung, zu viele Vorbesitzer …
Meine beste Freundin fährt mich hin.
Eine breite, viel befahrene Durchgangsstraße auf der anderen Elbseite, Hamburg-Harburg. Links und rechts Handels- und Handwerksbetriebe, Kunden-Parkplätze, Futtermittel für Tiere, alte, grau verstaubte Bürgerhäuser, gesichtslose Wohnbauten, Bäume kahl und starr, zwischen bunten Spielhallen und Lieferservices für Pizzen und Burger, ein eigelber Baumarkt winkt mit Fahnen, dahinter dann eine alte, blassgesichtige Villa, ein viktorianischer Balkon blinzelt aus der brüchigen Fassade. Wir sind da.
Den Wagen finden wir auf der Rückseite der gebrechlichen Villa. Es ist nicht der V40, den wir uns ansehen wollten. Aber er ist es.
Ich sehe ihn und will ihn.
Er ist grün. Dunkelgrün, das wunderschönste Grün, das man sich vorstellen kann. Keine DS, besser! Ein Schiff! Eine Majestät! Von vorn wirkt er dunkelblau-grün, die Farbe changiert wie tiefes Gewässer in wechselndem Licht. Er ist riesig, strahlt Zuverlässigkeit aus, Sicherheit, Bodenständigkeit. Irgendetwas hat er natürlich, einen Haken, ganz bestimmt – ist mir jedoch jetzt schon egal.
Ich schätze den Verkäufer auf vielleicht Mitte vierzig, er hat einen kleinen, sehr gepflegten Schnurrbart, vor ein paar Jahren war das, Reminiszenz an die 70er, kurz wieder modern, so ist es aber vermutlich nicht gemeint.
Sein Lächeln liegt halbmondförmig unter dem Bart,
es ist anhaltend, die Stimme sanft, lächelt mit. Er spricht Sätze mit vielen Infinitiven. Ich darf das Auto probefahren, auch in eine Werkstatt, lächelt er, jetzt sofort, kein Problem. Es gibt einen Anruf, rote Schilder werden montiert, ich lasse meinen Ausweis auf dem Tisch, eile zum Auto, öffne die Wagentür und weiß unmittelbar: Haken Nummer eins ist olfaktorischer Art: Der Vorbesitzer war Zigarrenraucher. ‚Öffnen‘, rät der Händler, ‚dann besser‘ und tippt an die Scheibe, bevor er freundlich die Fahrertür von außen schließt.