Um elf Uhr haben wir ein Rendez-vous.
Walter, ein Landsmann, würden meine Eltern sagen, ein Landsmann aus Hessen, Essaouira-Wiederholungsreisender und für zehn Tage zum Vitamin – D und marokkanische Lebensart tanken hier, ist vorgestern zufällig in der Abendbar auf Titus gestossen und hat fallen lassen, dass er überlegt, sich hier eine kleine Wohnung zu kaufen. Daraufhin erzählte ihm Titus, dass seine Frau Maryem etwas von einem Appartement wüsste … kurz, so kam ich zur Wohnungsbesichtigung heute. Ich habe mich einfach angeschlossen.
Die Wohnung liegt am Anfang vom Souk im ruhigeren Teil. Wir gehen eine Treppe hinauf. Die Wohnung ist im zweiten Stock, Dachterrasse darüber gehört dazu. Vier Zimmer, Küche, Bad, renoviert, zu einem sehr günstigen Preis, von privat und ohne Makler. In der ersten Etage, eine Arztpraxis, vor der ein paar Leute herumstehen und warten. Maryem klopft an der Wohnungstür, uns wird geöffnet.
Es riecht streng, nach Mottenkugeln, die Fenster wurden eben erst geöffnet. Die Wohnung, ein roséfarbener Gang, von dem zur einen Seite Fenster in einen offenen Innenhof gehen, zur anderen Fenster zu den einzelnen Zimmern, die wiederum ansonsten fensterlos sind. Am Ende des Gangs, Bad und Küche und das letzte Zimmer – mit Fenster zum Hof. Ein wenig schattig alles, sage ich. Im Sommer schön kühl, sagen Maryem und die Frau des Besitzers. Natürlich! Ich habe keine Ahnung. Ich bin im Winter hier, die vierzig Grad und mehr im Sommer kann ich mir nur vage vorstellen. Walter testet das Wasser, die Spülung im Bad, fragt nach Warmwasser – über Gas – und sagt, er müsse das Ganze natürlich erst einmal sacken lassen – und die Dachterrasse würde er außerdem gern sehen, ich auch (nur aus Neugierde) aber dafür gibt es derzeit keinen Schlüssel. Morgen. Wir werden also wiederkommen.
Später zeigt Walter mir den Riad, in dem er wohnt.
Riad Saltana, zwanzig Meter vom Le Bastion. Er gehört zu einer Reihe an Riads, die im Besitz einer wohlhabenden Familie am Ort sind. Ein schöner Platz. Wir stellen fest, dass Walter von einem seiner Fenster direkt in eines der meinen sehen kann und beim Perspektivwechsel für mich von der Dachterrasse, (ha!), dass ich näher am Meer logiere als er.
Etliche Male bin ich bereits am Riad Mimouna http://www.hotelriad-mimouna.com vorbeigegangen, der etwas versteckt in der schattigen Ecke einer Gasse auf dem Weg zur Mellah liegt.
Heute steht die Sonne auf der großen Eingangstür, ich sehe einen diskret geschmückten Weihnachtsbaum am Ende des Foyers, in einem gewissen Moment reflektiert eine Kugel Sonnenlicht als goldfarbenen Strahl auf meine Netzhaut. Ich muss da rein. Trete in den Empfangsbereich.
Der Riad ist größer als alle, die ich bisher gesehen habe, fast ein kleiner Palast. Sandsteinbögen, Säulen. Er wirkt, als sei er eben erst renoviert worden. Ich frage, ob ich Fotos machen und mir ein Zimmer ansehen darf.
Begleitet vom Portier in Sandgelb, der mir formvollendet Türen aufhält und erzählt, dass das Haus jedes Jahr einmal komplett gestrichen wird, weil die Meeresluft sonst alles restlos auffressen würde, sehe ich Zimmer 102. Ein normales Gästezimmer mit ‚vue mer’.
Schön schlicht, geschmackvoll marokkanisch. Doppelbett, bodentiefe Fensterfront, das Meer, die Brandung, Felsen, ein Tableau. Die Augen öffnen und dieses Bild. Traum oder Wirklichkeit, großartige Verunsicherung. Andauernd beim Speisen im letzten Stock. Kann man auch ohne Übernachtung haben, das Restaurant ist für alle. Die Dachterrasse mit Luxus-Liegen nicht.
Der hellblaue Holzaufbau, um von der Terrasse dem Himmel noch ein Stück näher zu kommen, einzig morbider Charme an diesem perfekten Ort.